Totalabsturz bei Kryptobörse könnte Milliardenschaden bescheren

Der Schaden durch die Pleite der US-Kryptobörse FTX ist noch nicht bemessen. Viele Großinvestoren stellen sich auf einen Totalausfall ein

 

Die älteste Kryptowährung Bitcoin ist rund um die Turbulenzen bei FTX unter die Marke von 16.000 Dollar gefallen. Auch andere Kryptowährungen verloren an Boden.

Foto: Reuters / Dado Ruvic

Es ist nicht die erste Kryptopleite in diesem Jahr, aber es ist die größte: Mit der US-Börse FTX, einem der größten Handelsplätze für Bitcoin und Co, ist ein Gigant der Branche ins Wanken geraten.

Frage: Die Kryptobörse FTX ist insolvent. Wer steckt hinter ihr?

Antwort: FTX , die größte US-Kryptobörse, zählte nach Handelsvolumen zu den größten Kryptobörsen der Welt und war vor allem wegen ihrer Nutzerfreundlichkeit beliebt. Die auf den Bahamas beheimatete Plattform wurde 2019 von Sam Bankman-Fried gegründet, der 30-jährige Kalifornier galt in der Branche als Wunderkind und einer der mächtigsten Player. Noch vergangene Woche war Bankman-Fried einer der reichsten Menschen der Welt.

Frage: Was ist in den vergangenen Tagen geschehen?

Antwort: Es war ein tiefer Fall auf Raten. Am Freitag hat FTX in den USA Insolvenz nach Kapitel elf angemeldet. Dem Schuldner wird in diesem Verfahren ein – zeitlich begrenzter – Schutz vor Gläubigern gewährt, um sich zu reorganisieren. Bankman-Fried trat von seinem Posten als Vorstandschef zurück. Bankrott sind 130 Firmen der FTX Group, darunter Krypto-Start-ups, an denen FTX beziehungsweise Alameda Research, Bankman-Frieds Krypto-Hedgefonds, beteiligt ist. Mitte vergangener Woche scheiterte die Übernahme der Handelsplattform durch Marktführer Binance. Mittlerweile hat auch der weltweite Zahlungsrise Visa alle Geschäftsbeziehungen aufgekündigt.

Frage: Warum war der Rettungsversuch überhaupt nötig?

Antwort: Friedmann hatte mit Konkurrenten und anderen Investoren über eine milliardenschwere Finanzspritze verhandelt, um FTX zu retten. In Schieflage war das Unternehmen geraten, weil Kunden massenhaft Gelder abzogen. Branchenprimus Binance wollte FTX daraufhin übernehmen, machte in letzter Minute aber einen Rückzieher, die Schieflage sei größer als gedacht.

Frage: Wie kam es zur Schieflage?

Antwort: Stein des Anstoßes war ein Bericht des Portals Coindesk Anfang November, der die Stabilität von FTX anzweifelte: Die Bilanz von Alameda Research sei mit dem hauseigenen Token der Kryptobörse, dem FTT-Token, aufgeblasen – und nicht durch andere Vermögenswerte gedeckt. FTX-Kunden zogen Gelder ab, Binance-Chef Changpeng Zhao gab bekannt, seine FTT-Tokens abstoßen zu wollen. Ab da ging es steil bergab. FTX richtete einen Hilferuf an Binance.

Frage: Wie groß ist die Schieflage?

Antwort: Derzeit ist das schwer abschätzbar. Binance nannte Berichte über Fehlverhalten im Umgang mit Kundengeldern. Laut Angaben von Insidern soll bei FTX eine Milliarde Dollar verschwunden sein. Bankman-Fried habe heimlich zehn Milliarden Dollar davon zu Alameda Research transferiert, sagten zwei Insider Reuters. Bankman-Fried wies dies zurück und sprach gegenüber Reuters von Missverständnissen bei der Verbuchung, FTX von unautorisierten Transaktionen, andere spekulieren über Hackerangriffe. FTX erklärte, mit Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden zusammenzuarbeiten. Man unternehme „alle Anstrengungen, um alle Vermögenswerte zu sichern, egal wo sie sich befinden“.

Frage: Was bedeutet das für Investoren und Investorinnen?

Antwort: Noch vor wenigen Monaten wurde FTX mit 32 Milliarden US-Dollar bewertet. Jetzt stellen sich viele Investoren, Sequoia Capital, Softbank oder Black Rock, auf einen Totalausfall ein. Kein Klacks: Seit 2019 hat FTX mehr als zwei Milliarden US-Dollar von ihnen erhalten. Kleinere Anleger müssen das wohl oder übel auch machen, im Insolvenzfall sind die Kryptovermögen von Kunden nicht geschützt. Ihre Assets sind bei der jeweiligen Börse hinterlegt und können bei einer Pleite als Firmenvermögen betrachtet werden.

Frage: Besteht Ansteckungsgefahr?

Antwort: Die Kurse mehrerer Kryptowährungen gaben nach Bekanntgabe der Insolvenz nach. Könnten die Turbulenzen auf andere Märkte übergreifen? Nein, sagen die Optimisten: Der Kryptowährungsmarkt sei zu klein und zu isoliert. (Regina Bruckner, red, 14.11.2022)

Siehe dazu auch:

Kryptofiasko in vielen Akten: Warum Binance die FTX-Übernahme absagt

Krypto-Experte: „Eine Übernahme von FTX wäre positiver zu bewerten als eine Insolvenz“

https://www.derstandard.at/story/2000140800398/totalabsturz-bei-kryptoboerse-koennte-milliardenschaden-bescheren