Bundesländer beschließen Porno-Filter für Betriebssysteme

Die Regierungschefs der Länder haben am Donnerstag bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin eine erneute Reform des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) beschlossen. Damit sollen Pornofilter schon auf der elementaren Ebene von PCs, Laptops und Smartphones installiert und eine Alterskennzeichnung für Webseiten und Apps eingeführt werden.

Laut dem überarbeiteten Paragraf 12 müssen Anbieter von Betriebssystemen künftig sicherstellen, dass diese über eine „Jugendschutzvorrichtung“ verfügen. Eine solches Filtersystem, heißt es weiter, „muss in einfacher, leicht zugänglicher und abgesicherter Weise aktiviert, deaktiviert und angepasst werden können“.

Die Novelle des seit Jahren umstrittenen JMStV ist Teil des 6. Medienänderungsstaatsvertrags. Eltern oder andere Berechtigte sollen demnach in der Jugendschutzvorrichtung eine Altersangabe einstellen können. Im Anschluss werden die Geräte automatisch in einen entsprechenden Kinder- oder Jugendmodus versetzt.

Hersteller von Betriebssystemen müssen dann etwa gewährleisten, dass „nur Apps nutzbar sind, die der Altersangabe entsprechen oder die individuell und in abgesicherter Weise freigeschaltet wurden“. Die Installation von Programmen soll nur noch über Vertriebsplattformen wie App-Stores möglich sein, die die Altersfreigabe berücksichtigen und ein automatisiertes, von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) anerkanntes Bewertungssystem vorhalten.

Das Nutzen gängiger Browser wie Chrome, Firefox oder Safari wird im Spezialmodus nur noch möglich sein, sofern diese über „eine gesicherte Suchfunktion“ verfügen oder ein ungesicherter Zugang individuell und in abgesicherter Weise freigeschaltet wird. Generell soll die Anwendung von Browsern und Programmen „individuell und in abgesicherter Weise ausgeschlossen werden“ können. Nur Apps, die selbst über ein anerkanntes Jugendschutzprogramm oder ein vergleichbares geeignetes Mittel verfügen, werden unabhängig von der in der Jugendschutzvorrichtung eingestellten Altersstufe zugänglich sein.

Paragraf 5 JMStV sieht bereits in der aktuellen Fassung vor, dass Anbieter von Inhalten, die die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer „eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ potenziell beeinträchtigen, mit einer Alterskennzeichnung versehen können. Denn prinzipiell müssen sie dafür Sorge tragen, dass der Nachwuchs in den Altersstufen ab 6 bis ab 18 Jahren solchen Content „üblicherweise“ nicht wahrnimmt. Die Alterseinstufung soll „von geeigneten Jugendschutzprogrammen“ auslesbar sein.

Von einer ausdrücklichen Pflicht, wonach Apps oder Webseiten mit einer vom Betriebssystem erkennbaren Altersangabe versehen werden müssten, sahen die Ministerpräsidenten letztlich ab. Doch wer seine einschlägigen Angebote nicht entsprechend kennzeichnet, muss damit rechnen, dass seine Inhalte bei aktivierter Jugendschutzvorrichtung nicht mehr angezeigt werden.

Auch der erweiterte Paragraf 5c JMStV enthält Zündstoff: Demnach müssen Anbieter von Telemedien „bei Filmen, Serien und Spielprogrammen“, die sie als eigene Inhalte offerieren, auf eine Alterseinstufung „durch eine deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung zu Beginn des Angebots hinweisen“. Zu erläutern sind ferner „die wesentlichen Gründe“ für das Rating sowie „Gefahren für die persönliche Integrität“. Dies soll auch für Bewegtbilder oder Games gelten, „die mit dem bewerteten Angebot ganz oder im Wesentlichen inhaltsgleich sind“. In einem früheren Entwurf war diese Klausel noch weiter gefasst und bezog sich prinzipiell auch auf Betreiber von Websites nebst Unterseiten.

Gegen eine ähnliche Initiative liefen IT- und Medienverbände sowie Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle im Sommer 2021 Sturm. Beim neuen Anlauf monierte etwa der eco-Verband der Internetwirtschaft, eine faktische Pflicht zur Kennzeichnung auch unproblematischer Inhalte widerspreche dem Grundsatz des Jugendmedienschutzes. Eine solche Auflage sei „weder sinnvoll noch verhältnismäßig“. Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) kritisierte, Filter als neue, zusätzliche gesetzliche Ebene für den technischen Jugendmedienschutz brächten „keinen praktischen Mehrwert“.

Deutschland habe zwar „bereits heute das höchste Niveau zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Europa“, erklärte nun der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD). Trotzdem gelte es neue Wege zu gehen, um den Nachwuchs im Internet vor nicht altersgerechten Inhalten wie Pornographie, Gewalt, Hass, Hetze und Falschinformationen zu bewahren.

„Bisher ist es für Eltern mühsam und teils überfordernd, in jeder App auf jedem Gerät unterschiedlichste Schutzfunktionen einzustellen“, ergänzte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). „Künftig reicht eine einzige passwortgeschützte Eingabe, damit Kinder und Jugendliche altersgerecht und sicher in der digitalen Welt unterwegs sein können.“

Eine Auflage zum Labeln von Internetinhalten wollten die Ministerpräsidenten bereits mit einer JMStV-Novelle 2010 einführen. Dies scheiterte letztlich an Nordrhein-Westfalen. Auch die jetzige Reform muss noch durch die Landesparlamente. Die Regierungschefs gehen davon aus, den Entwurf „bis zu ihrer Konferenz am 12. März 2025“ unterzeichnen zu können. Im Anschluss soll die Ratifizierung durch die Landtage erfolgen.

Die Ministerpräsidenten wollen zudem die föderale Medienaufsicht beim Vorgehen gegen illegale Inhalte wie frei verfügbare Internet-Pornografie durch neue Instrumente zur Rechtsdurchsetzung stärken: So sollen die Landesmedienanstalten künftig Banken den Zahlungsverkehr mit Anbietern auch im Ausland untersagen können.

Dem Umgehen von Sperrverfügungen durch sogenannte Mirror Domains – also die Verbreitung des identischen Inhalts unter einer nur minimal geänderten Webseitenadresse – von Portalen wie xHamster, Pornhub, YouPorn und MyDirtyHobby wird durch die Novelle ein Riegel vorgeschoben. Vor allem die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen geht gegen solche Seiten vor.

Selbstkontrolleinrichtungen sollen zudem künftig konkrete Anforderungen an den Jugendmedienschutz mit der KJM aufstellen und selbst entscheiden, ob die vorgelegten Systeme den Anforderungen entsprechen. Die FSM begrüßte dies gegenüber heise online. Ob die in Betriebssystemen vorzusehende Jugendschutzvorrichtung den angestrebten Effekt haben werde, bleibe aber abzuwarten. Eltern stünden bereits „einfache und vor allem flexibel einsetzbare Instrumente“ zur Verfügung, die seien oft nur noch nicht hinreichend bekannt.

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